Es gibt unzählige Sach-, Fach-, Flach-,
Kuschel-, Kitsch-, …-Bücher zum Thema Eltern werden bzw. schwanger sein. Aber
für Papas?
Als die Schwangerschaft weiter
voranschritt, merkte ich, dass ich mich selbst zwar mit online-Informationen
recht gut versorgen konnte, mein Held aber irgendwie nicht so recht wusste, wie
er das Thema angehen soll. Also haben wir überlegt, ein Papa-Buch anzuschaffen.
Der Held entschied sich für „Papa to go“ von Christian Busemann.
Ihn sprach die gute Platzierung
in der Buchhandlung an. Die Nachfolgebücher sehen diesem sehr ähnlich und
zusammen ergibt das ein harmonisches Bild. Eyecatcher eben. Dazu kommt, dass es
für werdende Väter nicht so viele Bücher gibt. Er las den Klappentext und kurz ins
Buch hinein – es war locker und entspannt geschrieben und klang wie ein
„schnell mal lesen“-Hilfebuch. Als Einstieg ideal geeignet. Also kam es mit
nach Hause.
Positiv:
Christian Busemann mahnt, dass
der Partner immer informiert und dabei sein sollte (natürlich wird hier nur für
Männer geschrieben – lesbische Paare würden verm. PAPA to go auch nicht kaufen,
oder doch?). Da für seine Partnerin. Ihr gut zureden, sie seiner Liebe
versichern, …
Er informiert in Kürze über
Schwangerschaftsbeschwerden, Inhalte des Mutterpasses, pränatale
Untersuchungsoptionen …
Die Beschreibung wie der Partner
sich unter der Geburt verhalten sollte, kann ich grundsätzlich teilen
(Schmerzbeurteilung kann nur die Frau, massieren, streicheln, zärtlich sein,
ablenken, über den Trennungsschmerz der Geburt reden weil die Symbiose aus
Mutter und Ungeborenem endet, zu
Bewegung anregen, beim Pressen die Klappe halten und einfach nur da sein, …)
Er regt den Vater an, die
Erlebnisse der Geburt in der ersten Nacht aufzuschreiben – das zu lesen kann
auch wundervoll für die Mama sei.
Was aber früh auffällt: Christian
Busemann versucht, dem Leser (und vermutlich auch sich selbst damals als seine
Frau schwanger war) die Angst zu nehmen. Allerdings eher im Sinne von „Du musst
souverän wirken“, „Du weißt bescheid“, „Du kannst vor XY punkten“, …). Locker
bleiben ist seine Devise. Die Ehrfurcht und das Wunder anzunehmen? Kommt hier kaum
vor. Überwältigt sein ist ok? Nicht für Christian Busemann – maximal nachdem
der Zwerg auf der Welt ist. Ich finde das sehr funktional gedacht und
befremdlich. Es stellt zwar sachlichen Kontakt zur Schwangerschaft her, doch
emotional? Eher nicht. Schade.
Hinzu kommen unkorrekte
Verallgemeinerungen wie:
„Rohes Fleisch und rohen Fisch, wie in Sushi, meiden, da die Toxoplasmose-Gefahr
sehr groß ist.“
> Die Wahrscheinlichkeit einer
Toxoplasmose-INFEKTION ist das ganze Leben gleich hoch – die wird nicht in der
Schwangerschaft wundersamer weise besonders groß. Eine Infektion selbst ist nur
gefährlicher, da sie das Baby gefährden kann.
„Wenn ihr Ratschläge benötigt, solltet Ihr sie euch bei dem Arzt
holen, der ja eh schon das Vertrauen der werdenden Mutter genießt“
> Hebamme? Freunde? Sind ihm
zu viele Köche. Vertrauen in Ärzte ist ja ok, aber welcher Frauenarzt kann einen
denn vollumfänglich zum Thema Schwangerschaft beraten???
Listungen
von „unbedingt“ benötigten Dingen, von denen ein Großteil nicht gebraucht wird
– hier ein Auszug:
> Kinderzimmer, Windeleimer (packt JEDE Wegwerfwindel
zusätzlich noch in Plastik – Umweltoverkill), Wärmelampe (braucht man nur für
Winterbabys wirklich), Himmel/Himmelstange, DREI Kapuzenhandtücher,
Wegwerf-Wickelunterlage, Babymassageöl, Babywaage, Milchpumpe,
Sonnen-Family-Zelt, Reisebett, … - alles
als Starterset-Bestandteile gelistet. Bitte hört da auf Euer Gefühl und kauft
nur wirklich notwendige Dinge.
„“[…]
etwaige Schäden beziehungsweise Verletzungen durch die Geburt behoben. Hier ist
der Dammriss sehr gängig. Das heißt das Stück zwischen Po und Vagina, der
Damm, reißt manchmal bei der Entbindung
durch den Umfang beziehungsweise die Größe des Babys. Aus diesem Grund wird er
meist vom Arzt während der Geburt eingeschnitten, damit es besser flutscht.“
> Ein Dammschnitt wird nicht für das besser Flutschen
gemacht, sondern damit Frau nicht einreißt und sollte nur angewendet werden, wenn
das Baby sich schwer tut und alles ein bisschen eng ist. Das Verhindern des
Reißens funktioniert aber nicht immer – viele Frauen wurden geschnitten UND
reißen. Ein guter Dammschutz (Dammmassage während der letzten
Schwangerschaftswochen, Wärme,… helfen dem Damm vermutlich mehr). Leider
verliert er dazu kein Wort.
Nach und nach wurde das Lesen
weniger freudvoll. Zitate gefällig?
„Wer mag schon einen riesigen
Berg Spaghetti essen, wenn direkt neben ihm am Tisch „jemand“ mit einem
Würgereiz zu kämpfen hat? Und wer fummelt schon gerne herzhaft im Ausschnitt
rum, wenn die scharfe Schleuder dabei plötzlich einnickt? Zieht echt runter“
„Schlechte Nachrichten aus dem
Dekolleté, gute Nachrichten aus dem Dekolleté. Die Push-ups haben Feierabend!
Das Glockenspiel wird satter, nicht nur im Sound: die Brüste wachsen!“
Beim Abschnitt „Zweites Trimester
– Sex in der Schwangerschaft: Wie schlafe ich mit einem „Wasserbüffel““ verging
es dem Helden komplett (Seite 81 von 285). Mich schockierte die Sprache einfach
nur. Unreif, herablassend, frauenfeindlich, von sexueller Souveränität keine
Spur:
„Zum Ende der Schwangerschaft
hingegen, wenn der sündige Designerstring einem
XXL-Baumwollschlüpfer-Mutterschiff gewichen ist, sich das Kinn auf einem
zweiten ausruht und der ehemals sportliche Gazellenrahmen in Richtung
Wasserbüffel mutiert, hält sich die Lust deiner Frau […] in Grenzen und neigt von
selten bis null.“
„Müde bis tote Hose also auch bei
Dir, es sei denn, deine Überredungskünste und verbale Umschmeichelungen
bewirken Wunder, und du bekommst die Matrone noch mal auf die Turnmatte“
„vielleicht kannst du dem
mürrisch stöhnenden, ungelenken Schwangerschaftspummelchen noch einen
brüderlichen Blowjob aus dem Kreuz leiern […]“
„[…] deshalb will ich dir nun
verraten, welche Positionen Du ausprobieren kannst, ohne dass du befürchten
musst, von einem menschlichen Fleisch-Panzer überrollt zu werden.“
„“natürlich kommst du dir im
ersten Moment wie […] Asterix vor, der versucht, den dicken, trägen Obelix zu
penetrieren, […]“
So geht es weiter. Warum muss das
sein? Weder der Detailgrad seiner eigenen sexuellen Unsicherheit, noch diese
Sprache helfen irgendwem weiter! Sex in der Schwangerschaft ist speziell, macht
vielleicht beiden Beteiligten Angst und es gibt nur Eines: zusammen probieren
und sich auf einander einlassen – so wie sonst beim Sex auch! Dieses Kapitel
ist nutzlos, beleidigend, primitiv und ekelhaft.
Christian Busemann äußert sich an
einigen Stellen des Buches sehr liebevoll und wertschätzend über seine Frau.
Doch wenn solche Formulierungen fallen, fällt es mir schwer, das einzuordnen.
Entweder er schätzt seine Frau und diese Formulierungen sind flapsig überzogen
und passen eigentlich gar nicht zu ihm. ODER er ist viel mehr darauf bedacht,
wie seine Frau aussieht/funktioniert als ihm klar ist und er selber denkt, er
würde sie schätzen, so wie sie ist (auch in schwanger und dicker). Ich vermute,
wir haben es bei diesem Autor mit einem neoliberalen Lifestyle-Mann zu tun, der
Schein über Sein stellt und es selbst nicht bemerkt. Aber vielleicht liege ich
da auch falsch…
Schade, dass wasAuchImmerDieUrsacheIst
zu solchen Formulierungen führt, die dann angehende Väter/Partner(innen) über
ihre schwangeren Frauen/Freundinnen lesen und vielleicht auch noch innerlich
übernehmen.
An die werdenden
Väter/Partner(innen): bleibt bei Euch mit Eurem Gefühl. Bei Euch und Eurer
schwangeren Frau/Freundin. Seid Euch selbst und einander nah. Lasst zu, dass
Euch diese Erfahrung auch mal umhaut. Seid authentisch miteinander. Redet
miteinander.
Fazit
Der Held kann dieses Buch
niemandem empfehlen. Vielleicht neoliberalen, geschlechtsverwirrten Männern,
die besonders locker mit der Welt umgehen und ihre Souveränität über alles
schätzen (was ist denn heute noch ein echter Mann, was soll ich tun, wer soll
ich sein, wie komme ich möglichst optimal rüber) – denen könnte es in Summe
etwas nutzen.
Meine Erfahrung mit dem Buch –
denn ich habe es auch gelesen: Die Abschnitte, die sprachlich so unter die
Gürtellinie gehen, würden jedes Buch versauen. Die emotionale Seite des
werdenden Vaters/Partners wird kaum angesprochen. Was dann also übrigbleibt, ist
eine Informationssammlung, die man online oder in sachlicheren Büchern ebenso
findet. Ohne diese abstoßenden Abschnitte/Kapitel…
Einfach lassen! Leider habe ich
keine Alternative für Euch. Wir haben nach diesem Reinfall nämlich auf weitere
Papa-Bücher verzichtet.